In der Straßenbahn
Die Straßenbahn zuckelte vor sich hin.
Ich schaute aus dem Fenster.
Zuerst sah ich den kleinen Mann von hinten.
Seine schwarze Pilotenmütze hatte kunstpelzbesetzte Ohrenklappen, die vom Kopf abstanden wie die Ohren eines räudigen Straßenköters.
Auf die gleiche Weise standen seine Arme vom Körper ab, denn er trug in beiden Händen volle Kunststofftaschen, aus denen Plastiktüten schauten.
Immer wieder hielt er Ausschau.
Wenn er etwas entdeckte, hielt er an und stellte seine Taschen ab.
Seine Hand schnellte in den Mülleimer wie der Kopf eines Reihers ins Wasser. Tauchte seine Hand wieder auf, dann hielten seine dunklen Finger eine Pfandflasche, die er - einem genauen System folgend - in eine der Plastiktüten stopfte.
An der nächsten Haltestelle stieg ein alter, grauhaariger Mann ein. Er trug einen Wollpullover, dunkle Hosen, Wanderschuhe und ein Ohrstäbchen.
Ein - Ohrstäbchen???
Mein Blick, der schon weiterwandern wollte, blieb ruckartig hängen.
Ja, aus seinem linken Ohr ragte waagerecht ein Ohrstäbchen heraus, als hätte er beim Ohrenputzen beiläufig auf die Uhr geschaut:
WAS? SCHON SO SPÄT? Er sprang auf, rannte zur Tür, schnappte im Hinaushechten den Schlüsselbund und humpelte, so schnell ihn seine alten Beine trugen, zur Straßenbahn.
Oder war es ganz anders?
Hatte er mit seinem Zimmerkollegen aus dem Altenheim gewettet?
"Heutzutage kannst du alles machen. Guckt eh kein Schwein nach uns!"
"Wetten doch?" Zufrieden betrachtete Hubert, der soeben in seinen Ohren polkte, die gelbliche, wachsartige Masse, die an seinem Ohrstäbchen klebte.
Er schnüffelte daran und benutzte die andere Seite.
"Wetten, es spricht mich jemand an, wenn ich so rumlaufe?" sagte er, wedelte mit den Händen und zeigte auf das Stäbchen in seinem Ohr.