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Schneewittchen und die zehn Zwerge

"Papa?"

"Hm."

"Erzählst du mir noch eine Gute-Nacht-Geschichte?"

"Ich muss noch..." sagte der Vater und blickte angestrengt auf sein Handy.

"Büüüttööö! Eine klitzekleine!"

"Also gut" seufzte der Vater und legte das Handy weg.

"Es war einmal eine Königin," begann er, "die wünschte sich ein Kind: 

So weiß wie Schnee, so schwarz wie Ebenholz und..."

"Papa?! Was ist Ebenholz?"

"Na ... Holz eben!"

"Aber Holz ist nicht schwarz!"

"Holzkohle schon." Das klang leicht ungeduldig.

"Erzähl' weiter!"

"Als das Mädchen geboren wurde, war ihr Haar so schwarz wie - Holzkohle, ihre Haut so weiß wie Schnee und ihr Mund so rot wie - "

"Erdbeermarmelade!" krähte eine kleine Stimme dazwischen.

"...so rot wie Erdbeermarmelade. Und diese schöne Königstochter" sprach der Vater und schaute auf die Uhr, "lebte im Wald bei den sieben Zwergen."

"Wie hießen die sieben Zwerge?"

"Die hießen Adalbert, Dagobert, Engelbert, Fulbert, Gisbert, Herbert, Kunibert, Lambert, Norbert und Wilbert."

"Das waren aber mehr als sieben Namen!" triumphierte der Sohn mit Kennermiene.

"Genau, mein Sohn gut aufgepasst. Darum verkündete Schneewittchen: 

"Es dürfen nur sieben von euch mitspielen!"

"Aber wieso denn?" Die Zwerge schauten sich verwundert an. 

"Wir sind doch zehn!"

"Das heißt nun mal Schneewittchen und die sieben Zwerge. Stellt' euch vor, es würde heißen Schneewittchen und die zehn Zwerge - da würde doch jeder denken, ich hätte genuschelt und ein e verschluckt!"

"Ein e verschluckt?" Die Zwerge kapierten gar nichts.

"Ein e? Was für ein e?" fragte der neugierige Norbert.

"Na, von Ze-hen, versteht ihr? Schneewittchen und die Zehen-Zwerge, als wäret ihr so klein wie zehn kleine Zehen!"

"So ein Blödsinn!" murmelten einige.

"Oder - noch schlimmer - die Leute würden denken: Schneewittchen und die zä-hen Zwerge, als wäret ihr so zäh wie alter Kaugummi!"

"Dumme Ausrede!" knurrten andere.

"Außerdem", beharrte Schneewittchen, "Sieben klingt einfach schöner! Sieben fängt genau gleich an wie Schneewittchen!"

"SCHneewittchen und die SCHieben SCHwerge!" amüsierte sich der witzige Wilbert.

"ZEHwittchen und die zehn Zwerge!" kicherte der füllige Fulbert und alle Zwerge prusteten los.

"Wir müssen uns beraten!" verkündete schließlich Adalbert, der Älteste.

"Nur zu!" Schneewittchen saß vorm Spiegel und lächelte sich zufrieden an.

Wenig später riss Adalbert sie aus ihrer Selbstverliebtheit:

"Wir haben beschlossen: ALLE oder KEINER!"

"WAAS?" Entsetzt fuhr Schneewittchen herum und starrte die zehn kleinen Kämpfer mit entsetzt aufgerissenen Augen an. "Das könnt ihr doch nicht machen!"

"Das" , sagte Adalbert.

"Können", sagte Dagobert.

"Wir", sagte Engelbert.

"Sehr", sagte Fulbert.  

"Wohl", sagte Gisbert.

"Machen", sagte Herbert.

"Wie", sagte Kunibert.

"Du" , sagte Lambert.

"Gerade" sagte Norbert.

"Siehst!", sagte Wilbert.

Schneewittchen schaute verstört.

Was war das? Ein Zwergenaufstand?

"Aber SIEBEN ist eine magische Zahl!" versuchte sie ein letztes Mal einen vorsichtigen Einwand. "SIEBEN Geißlein werden gerettet, SIEBEN Schwäne sucht die Schwester, SIEBENmeilenstiefel hat der Kater -"

"Quatsch, wozu braucht ein Kater sieben Meilenstiefel? Der hat doch nur VIER Pfoten!" protestierte Herbert und Kunibert nickte.

Schneewittchen raufte sich verzweifelt die schönen schwarzen Haare.

"Ihr habt doch ÜBERHAUPT KEINE Ahnung von Märchen!"

"Oh doch! Das werden wir dir beweisen!", entgegnete Adalbert. "Wir sind nämlich die

"Super -", sagte Adalbert.

"Ober -", sagte Dagobert.

"Mega -", sagte Engelbert.

"Spezial -", sagte Fulbert.  

"Extra - ", sagte Gisbert.

"Galaktischen -", sagte Herbert.

"Hammermäßigen -", sagte Kunibert.

"Märchen -" , sagte Lambert.

"- ähhh -" sagte Norbert.

"Experten!", sagte Wilbert.

"Angeber!" maulte Schneewittchen. "Ich will Beweise!"

Sie zog eine Schnute und setzte sich mit verschränkten Armen und ausgestreckten Beinen in ihren Schaukelstuhl.

"Null Problemo!" verkündete Adalbert! "Morgen geht's los!"

Mit diesen Worten küsste der Vater seinen Sohn auf die Nase und schlich aus dem Zimmer. (...)